Die in den Arbeitspaketen gemeinsam generierten Erkenntnisse finden in den drei beteiligten Verbundkommunen konkrete Anwendung. Damit werden die im Projekt gewonnenen Ergebnisse zu nachhaltigen Nutzungsoptionen bislang ungenutzter Biomassepotenziale, Governanceinnovationen und Partizipationsansätzen direkt in der kommunalen Praxis überprüft.
Hofgeismar – Transformation bestehender Anlagen in ein erneuerbares Energiesystem
Im Norden von Hessen direkt am Rande des märchenhaften Reinhardswaldes liegt das Mittelzentrum „Dornröschenstadt Hofgeismar“. Ausgestattet mit einer hervorragenden Infrastruktur ist Hofgeismar ein bevorzugter Wohnstandort der Region und steht am Anfang einer dezentralen Energiewende.
Aktuell wird in Hofgeismar ein durch Deponiegas der Kreismülldeponie gespeistes Nahwärmenetz betrieben. An dieses Leitungssystem sind mehrere Schulkomplexe, zwei Kindergärten sowie das ehemalige Hallenbad (Fitnessstudio) angeschlossen. Aufgrund des Ablagerungsverbotes von organikhaltigen Abfällen seit dem 01.06.2005 wird jedoch die Biomasse im Inneren der Deponie in absehbarer Zeit vollständig abgebaut sein, sodass eine energetische Nutzung zukünftig nicht mehr möglich sein wird. Damit das bestehende Nahwärmenetz über die in einer „Umweltfabrik“ installierte Mikrogasturbine zuverlässig weiterbetrieben und -versorgt werden kann, sollen neue Möglichkeiten einer regenerativen Energieproduktion durch die Prüfung von Biomassepotentialen zur Nahwärmeversorgung untersucht werden. Der Fokus liegt hier auf der Entwicklung von Kooperationsbeziehungen zur nachhaltigen Erschließung dieser Potentiale. Kommunale Zielsetzung dabei ist, das Nahwärmenetz zu erhalten und nach Möglichkeit auszubauen, indem bestehende Wohnquartiere entlang des Verlaufes der Versorgungstrasse an die Nahwärmeversorgung angeschlossen werden. Im Gesamtkontext dient dieser Anwendungsfall als Beispiel für die veränderte Nutzung und den veränderten Betrieb bestehender Nahwärmeanlagen.
In enger Verbindung hierzu steht ein weiterer Aspekt des Teilprojektvorhabens. Dieser bezieht sich auf die Entwicklung von Governanceinnovationen zum Erhalt und Ausbau von bäuerlichen Biogasanlagen. Angestrebt wird die Identifizierung und Etablierung innovativer Kooperationen für den Ausbau von Nahwärmenetzen in Zusammenhang mit einer nachhaltigeren energetischen Biomassenutzung. Hierbei spielt die Entwicklung von Strukturen und Formaten zum Austausch von Handlungswissen zwischen kommunalen Akteuren eine wesentliche Rolle. Abschließend soll daher eine Übertragbarkeit auf andere Regionen überprüft werden. Die im Rahmen des Vorhabens erworbenen Kenntnisse für eine klimaresiliente Stadt-Umland-Kooperation dienen als Empfehlung für regionale Entwicklungskonzepte.
Neben der fachlichen Komponente sowie einer intensiven Zusammenarbeit mit den Verbundpartner*innen ist von zentraler Bedeutung, dass das Vorhaben von der Bevölkerung mit getragen wird. Dies ist Voraussetzung für den Erfolg der Energiewende und stellt eine große Herausforderung für den Ausbau erneuerbarer Energien dar. Ziel ist daher, die Bürger*innen Hofgeismars im Rahmen der für das Projekt geplanten öffentlichen Veranstaltungen zu informieren und frühzeitig in etwaige Planungsprozesse einzubeziehen.
Wolfhagen – Verstetigung lokaler Energiewende
Das Portfolio der regenerativen Stromerzeugung Wolfhagens umfasst neben den tragenden Säulen Windenergie und Fotovoltaik als dritte Säule auch die Nutzung von Biomasse. Eine Ende 2011 ans Netz gegangene Biogasanlage der Biogas Wolfhagen GmbH & Co. KG trägt aber nicht nur zur regenerativen Stromerzeugung bei, sondern sichert mittlerweile auch zu einem hohen Anteil die Versorgung der örtlichen Gesamtschule und des städtischen Freibades mit Wärmeenergie. Am möglichen Ausbau solcher Infrastrukturen wie der bestehenden Biogasanlage, als auch weiterer nachhaltiger Nutzungsoptionen von vor Ort verfügbarer Biomasse mit dem speziellen Blick auf eine breitere „Wärmewende“ setzt das Vorhaben in Wolfhagen an. Die im Sinne ökonomischer, ökologischer und gesellschaftlicher Dimensionen der Nachhaltigkeit hochkomplexen Anforderungen der dezentralen Energie- und Wärmewende für Städte und ihr Umland sollen sektorenübergreifend und auch über die Gemeindegrenzen hinaus „intraregional“ verknüpft miteinander in Bezug gesetzt werden. Identifizierte Innovationsmöglichkeiten sollen in einer späteren Projektphase erprobt und umgesetzt werden. In Wolfhagen stehen hierbei zunächst diejenigen Potenziale, welche neben den bedeutsamen Flächen der Sektoren Landwirtschaft und Forstwirtschaft auch über noch nicht näher bewertete kommunale Flächenressourcen, wie z.B. Straßen- und Wegeränder mobilisiert werden könnten, auf dem Prüfstand. Die Erforschung und Ausgestaltung der Bedingungen für deren konkrete Umsetzung in effektive und zukunftssichere Nahwärmeversorgungslösungen für Altstadtquartiere und Ensembles im denkmalgeschützten Fachwerkbestand der Stadt stehen derzeit im Vordergrund.
Die Verbundpartner*innen betrachten diejenigen Lösungen als zukunftsfähig, die zu einer optimierten energetischen Integration von regenerativer Biomasse führen und technologische mit sozialen Innovationen verbinden. Ein vielschichtiges institutionelles Partnerumfeld und alle von den neuen Planungen und Maßnahmen betroffene Bevölkerungsgruppen sind dafür in mitgestaltender Weise in das Planungs- und Projektierungsgeschehen einzubinden. Hierbei kann die Stadt Wolfhagen auf Zusammenarbeit und Partizipationsformate mit vielen interessierten lokalen Partner*innen (u.a. Biogasanlagenbetreiber, Bürgerenergiegenossenschaft, Stadtwerke, Forstamt) setzen, die in der Vergangenheit schon die lokale Energiewende bezüglich der elektrischen Stromerzeugung zu einem Wolfhager Erfolgsmodell gemacht haben. Diese positiven Erfahrungen mit innovativen Governance-Strukturen und funktionierenden Kooperationsmodellen für die Herausforderung „Wärmewende“ nutzbar zu machen, sie weiter auszubauen und in das regionale Partnerumfeld mit den am Projekt beteiligten Nachbarstädten Hofgeismar und Felsberg zu tragen, ist ein weiteres wichtiges Teilziel im Verbundvorhaben.
Felsberg – technische und soziale Innovation der Verwertung von Biomasse/Klärschlamm
Einer der Schwerpunkte des Felsberger Projektes liegt auf der Prüfung einer Biomassenverwertung in Form einer modularen Pyreg-Anlage. Durch dieses thermische Verfahren wird die eingebrachte Biomasse zu einem bodenverbessernden Biosubstrat weiterentwickelt. Darüber hinaus kann damit Kohlenstoff dauerhaft gebunden werden.
Im Rahmen der Projektarbeit soll die grundsätzliche Nutzbarkeit einer Pyreg-Anlage für Felsberg untersucht werden. So ist vor allem die umweltfreundliche und regionale Verwertung von Klärschlamm auf landwirtschaftlichen Flächen von großer Bedeutung. Dabei werden Fragen der Ressourcenverfügbarkeit, des Standortes, der Substratbeschickung, der Wirtschaftlichkeit, mögliche Beteiligungen und Partner, eventuelle Konfliktpotentiale sowie der umweltrechtliche Rahmen intensiv beleuchtet.
Die Nutzung in Form eines BHKW ist, falls überhaupt, nur in der Kerngemeinde vorstellbar. Möglich wäre es, entstehendes Biogas in das vorhandene Netz einzuspeisen.
Eine mögliche Form der Beteiligung ist die Gründung einer Bürgerenergiegenossenschaft, die als Betreiber einer entsprechenden Anlage fungieren könnte.
Mit einer bedarfsgerechten Pyreg-Anlage würde die Stadt Felsberg ihrem Ziel, klimaneutrale Kommune zu werden, deutlich näher kommen. Die Anlage würde verbindlicher Bestandteil eines in Entstehung befindlichen integrierten Klimaschutz-Konzeptes werden. Idealerweise könnten in einer Pyreg-Anlage Klärschlamm sowie Biomasse aus Rasen- Hecken- oder Holzschnitt verwertet werden. Sollte Klärschlamm nicht über eine Pyreg-Anlage verwertet werden können, wäre es denkbar, eine solche Anlage für die Biomasseverwertung zu nutzen und Klärschlamm in einer Vererdungsanlage zu verarbeiten.
Da die rechtliche Situation in Bezug auf die Verbrennung von Klärschlamm und Verwendung der Produkte in der Landwirtschaft umstritten ist, wird die Möglichkeit einer Klärschlamm-Vererdungsanlage geprüft. Diese arbeitet ähnlich einer Teichkläranlage mit biologischer Reinigung der Substrate. Wesentlich für die Beurteilung einer solchen Vererdungsanlage ist der Flächenbedarf. Dieser liegt bei ca. 1qm pro Einwohner. Für Felsberg wäre demnach eine Fläche von 11.000qm notwendig. Der jährliche Mengenanfall von Klärschlamm liegt in der gesamten Stadt Felsberg bei ca. 600t/pa.
Zur Begleitung des Projektes, Unterstützung der Kommune bei der Projektumsetzung und der wirtschaftlichen Bewertung des Projektes wurde eine Stadtentwicklungsgesellschaft gegründet. Die Stadt Felsberg hat die Firma EuRegPro mit der Durchführung beauftragt. Die konzeptionelle Ausrichtung der Stadtentwicklung basiert dabei auf den vorliegenden Stadt- und Quartiersplanungen. Die Stadt Felsberg hat zur nachhaltigen Entwicklung der Kommune ein Klimaschutzprojekt beauftragt sowie bereits ein Konzept zur Nutzung von Radwegen sowie den verschiedenen Sportstätten erarbeitet. Mit den genannten Maßnahmen soll eine dezentrale Energiewende und nachhaltige Regionalentwicklung umgesetzt werden.